Sie zeigen in Ihrem neuen Buch „Antisemitismus in der Sprache“ deutlich auf, dass es bei Sprache nicht nur um plakative Diskriminierung geht, sondern auch um sogenannte „Mikroaggressionen“. Wie würden Sie den Begriff „Mikroaggressionen“ für sich definieren und warum ist es so wichtig, darauf zu achten?
Ich würde es mit kleinen Arsendosen vergleichen. Für sich genommen sind sie nicht giftig, aber wenn man sie über Jahre immer wieder zu sich nimmt, reichern sie eine giftige Wirkung an. Mit den Jahren entsteht durch antisemitische Worte ein Bild in den Köpfen, das eine Abwertung von Menschen bewirken und damit den Weg für Gewalt ebnen kann.
Worauf sollten Unternehmen bei ihrer sprachlichen Kommunikation achten, um inklusiv zu agieren und Diskriminierung auszuschließen?
Die Kulturwissenschaftlerin Susan Arndt hat dafür eine gute Formel. „Wenn sich die Sprache ändert, ändert sich nicht der Rassismus. Aber umgekehrt ist die Sprache ein wichtiger Schauplatz des Widerstands gegen Rassismus.“ Das heißt: Auch wenn Sprache nur ein symbolischer Akt sein sollte, ist es doch trotzdem wertvoll, sich um respektvolle Sprache zu bemühen. Der gute Wille zählt - mehr als jede Detailfrage, über die man oft streiten kann.
Welche Formen von Antisemitismus in der Sprache sind in der heutigen Zeit besonders auffällig? Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Oft kommt es vor, dass für düstere Themen, wie z.B. Korruption, besonders kräftige Vokabeln, ausgerechnet aus dem Jiddischen, entlehnt werden - und dass sie nicht nur entlehnt, sondern auch noch für heutige Zwecke verdreht werden.
Ein Beispiel ist das Wort „Mischpoke“. Das bedeutet im Jiddischen „Familie“, ganz wertneutral. Im Hochdeutschen begegnet einem das Wort heute aber fast nur als Synonym für etwas irgendwie Dubioses, für einen undurchsichtigen Zusammenschluss von Leuten. Ein anderes Beispiel ist das „Schachern“. Das hört man im Journalismus heute ständig – da ist dann von „Postengeschacher“ die Rede. Für die Beschreibung eines irgendwie intransparenten Verteilens von Posten wird ausgerechnet auf ein jiddisches Wort zurückgegriffen. Dieses bedeutet zwar im Jiddischen eigentlich nur „Handel treiben“, völlig wertneutral, aber in Deutschland hat da etwas Düsteres auf diese Vokabel abgefärbt: das Bild nämlich, das Deutsche von Jüdinnen und Juden hatten.
Foto: Peter von Felbert